Predictive Coding in Musik- und Sprachverarbeitung
+++ Predictive Coding in Musik- und Sprachverarbeitung +++ Prof. Dr. Lars Konieczny, Judith Beck +++ KG I, HS 1136 +++ Dienstags, 9:00 - 11:00 Uhr (c.t.) +++ 1. Sitzungstermin 18. Oktober 2022 +++
Die Predictive Coding Theory (PC) ist gegenwärtig einer der meist referierten und debattierten Erklärungsansätze sowohl zu musikalischer als auch zu sprachlicher Rhythmuswahrnehmung und -verarbeitung (vgl. Huettig, Audring, & Jackendoff, in press; Shain et al. 2020; Vuust et al. 2022). Nach diesem Ansatz spielen Erwartung und spezifische Antizipation, d. h. Vorhersagbarkeit basierend auf Regularitäten (statistical learning) bei der Verarbeitung eine zentrale Rolle. Gemäß der Theorie lassen sich Perzeption, Handeln und Lernen in einem rekursiven bayes’schen Prozess formalisieren. Demnach ist das Ziel des Gehirns die Minimalisierung des Vorhersagefehlers (prediction error, im Sinne des active inferencing) und zwar zwischen dem zu verarbeitenden sensorischen Input und den top-down Vorhersagen für diesen Input (Vuust et al. 2022, p. 288). Ein wichtiger Aspekt ist darum auch die temporale Präzision, d.h. die „Vorhersagbarkeitsgewichtung“, welche funktionalen Einfluss auf den prediction error nehmen kann (Cheung & Sakamoto, 2022). Wesentlich für die Anwendung der PC-Theorie auf musik- und sprachkognitive Prozesse ist die inzwischen gut belegte Überlappung neuronaler Cluster und „Schaltkreise“ (circuits), welche im Gehirn während der Verarbeitung von Musik und Sprache aktiviert werden (vgl. Fiveash et al, 2021).
Aufgrund des Ausmaßes an Generalisierbarkeit der PCT wird zwischenzeitlich schon – u. a. innerhalb der Kognitionswissenschaft und verwandten Disziplinen wie z.B. Psycholinguistik – ein Paradigmenwechsel im Sinne eines „predictive turn“ postuliert (Huettig, Audring, & Jackendoff, in press).
Im Seminar werden wir uns zunächst den theoretischen Grundlagen des predictive codings widmen. Darauf aufbauend werden wir aktuelle scientific reports bzw. research articles aus der Sprach- und Musikforschung lesen, deren experimentelle Befunde explizit im Kontext von Predictive Coding besprochen werden. Anhand dessen werden wir die Vor- und Nachteile von PC für die beiden Forschungsbereiche diskutieren sowie alternative Ansätze wie z.B. Dynamical Systems. Wir erwägen gemeinsam, inwiefern das predictive coding of music (PCM) model auf Sprache übertragen bzw. für den Bereich der Psycholinguistik modifiziert werden kann.
Darüber hinaus werden die methodischen Kenntnisse aus dem Proseminar weiter vertieft sowie das strategische wissenschaftliche Lesen verfeinert.
WICHTIGES
Die Seminarsprache ist Deutsch. Die im Seminar verwendete Literatur wird mehrheitlich in englischer Sprache sein: Entsprechende Sprachkenntnisse sind erforderlich.
Das Seminar ist geeignet für Studierende der Kognitionswissenschaft (B.A. Nebenfach; fachfremdes Modul Informatik), aber auch für Studierende der Master-Studiengänge Germanistische Linguistik oder Musikwissenschaft. Studierende anderer Fächer sind prinzipiell willkommen.
Die Leistungsanforderungen variieren je nach Abschluss, Fach und ECTS-Punkten. Als Studienleistung gelten die Präsentationsfolien des Referats, das Handout (Stimuli, Experimental Design, etc.) sowie als Prüfungsleistung eine darauf aufbauende schriftliche Seminararbeit.
Die erste Sitzung ist eine verpflichtende Vorbesprechung.
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PLANUNG
Zeit: Dienstags, 9:00 - 11:00 Uhr (c.t.),
1. Sitzungstermin 18. Oktober 2022
Hinweis: Präsenzveranstaltung, gemäß universitärer Corona-Verordnung; bei Veränderung der
pandemischem Lage Umstellung auf Onlineformat möglich
Ort: KG I, HS 1136
VORBEREITUNG
Zur Vorbereitung des Seminars und für einen Überblick über die Thematik empfehlen wir die unter „Allgemeine Einführung in die Thematik“ gelisteten Review-Artikel bzw. Perspectives-Artikel zu lesen und zu exzerpieren. Sichern Sie sich bitte den vollständigen Zugriff auf die Artikel ggf. über Ihren UB-Account.
Kursmaterialien finden Sie ab 07.10.2022 auf ILIAS.
Allgemeine Einführung in die Thematik:
Fiveash, A., Bedoin, N., Gordon, R. L., & Tillmann, B. (2021). Processing rhythm in speech and music: Shared mechanisms and implications for developmental speech and language disorders. Neuropsychology, 35(8), 771. https://doi.org/10.1037/neu0000766
Kotz, S. A., Ravignani, A., Fitch, W.T. (2018) The Evolution of Rhythm Processing (review). Trends in Cognitive Sciences. 22(10), 896-910; https://doi.org/10.1016/j.tics.2018.08.002
Vuust, P., Heggli, O.A., Friston, K.J. et al. (2022). Music in the brain. Nat Rev Neurosci 23, 287–305; https://doi.org/10.1038/s41583-022-00578-5
Koelsch, S., Vuust, P., & Friston, K. (2019). Predictive Processes and the Peculiar Case of Music. Trends in Cognitive Sciences, 23(1), 63–77. https://doi.org/10.1016/j.tics.2018.10.006
Hohwy, J. (2020). New directions in predictive processing. Mind & Language, 35(2), 209–223. https://doi.org/10.1111/mila.12281
Palmer, C., & Demos, A. P. (2022). Are We in Time? How Predictive Coding and Dynamical Systems Explain Musical Synchrony. Current Directions in Psychological Science, 31(2), 147–153. https://doi.org/10.1177/09637214211053635
Turker, S., & Reiterer, S. (2021). Brain, musicality, and language aptitude: A complex interplay. Annual Review of Applied Linguistics, 41, 95-107. https://doi.org/10.1017/S0267190520000148
Trapp, S., Parr, T., Friston, K., & Schröger, E. (2021). The Predictive Brain Must Have a Limitation in Short-Term Memory Capacity. Current Directions in Psychological Science, 30(5), 384–390. https://doi.org/10.1177/09637214211029977